Körperverletzung (einfache, gefährliche, schwere, mit Todesfolge, fahrlässige)
© RA Mathias Noll 2018
Körperverletzungsdelikte
§223 StGB – vorsätzliche Körperverletzung
Die Körperverletzung wird mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bestraft. Der
Versuch ist ebenso strafbar. Die Tat wird dabei gem. §230 StGB nur auf Antrag des Verletzten
(Geschädigten) verfolgt, es sei denn, die Strafverfolgungsbehörde hält aufgrund von
besonderem öffentlichem Interesse ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.
Geschützt wird die körperliche Unversehrtheit der Person. Eine Körperverletzung ist gegeben,
wenn ein anderer Mensch körperlich misshandelt oder an seiner Gesundheit geschädigt wird.
Eine Selbstverletzung ist damit nicht strafbar.
Eine körperliche Misshandlung ist eine üble und unangemessene Behandlung, die das
körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt. Bagatellfälle (leichter Stoß,
kleiner Kratzer, etc.) werden somit nicht strafrechtlich erfasst.
Es wird zwischen Substanzverletzungen und Funktionsverletzungen unterschieden:
Bei Substanzverletzungen handelt es sich um Handlungen, die die körperliche
Substanz verletzen. Beispiele hierfür wären das Ausschlagen eines Zahns,
Hämatome, Prellungen, Schnitt- oder Schürfwunden oder aber auch das
unberechtigte schneiden von Haaren.
Eine Funktionsverletzung ist dagegen eine Handlung, die die Funktionsfähigkeit eines
Körperteils verletzt. Beispielhaft hierfür ist das Auskugeln eines Gelenks.
Selbstverständlich gibt es auch Handlungen, die beiden Arten zugeordnet werden können und
somit natürlich ebenfalls eine körperliche Misshandlung darstellen, wie etwa das Brechen eines
Knochens.
Eine Gesundheitsschädigung erfüllt ebenfalls den Tatbestand der Körperverletzung. Eine solche
ist gegeben, wenn ein vom körperlichen Normalfall negativ abweichender Zustand, der der
Heilung bedarf, hervorgerufen oder gesteigert wird. So stellen etwa das vorsätzliche Anblasen
mit Zigarettenrauch oder das bewusste Infizieren eines anderen mit einer Krankheit eine
Gesundheitsschädigung dar.
Eine Körperverletzung kann gem. §228 durch Einwilligung des Geschädigten gerechtfertigt
sein, sofern die Körperverletzung nicht gegen die guten Sitten verstößt. Ein solcher Verstoß ist
stets anzunehmen, wenn die Verletzungshandlung nicht mit dem Anstandsgefühl aller billig und
gerecht denkenden Menschen zu vereinbaren ist. So ist etwa das „Sich-Verprügeln-lassen“ von
einer Bande um in diese aufgenommen zu werden selbstverständlich sittenwidrig.
Ärztliche Heileingriffe, die stets eine Körperverletzung darstellen, sind nur dann
gerechtfertigt, wenn zuvor die Einwilligung des Geschädigten eingeholt wurde. Nur so kann
dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten Rechnung getragen werden.
§224 StGB – gefährliche Körperverletzung
Die gefährliche Körperverletzung ist eine Qualifikation, also ein Erweiterungstatbestand zur
„einfachen“ Körperverletzung und wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn
Jahren, in minder schweren Fällen von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Der Versuch
ist, wie bei der „einfachen“ Körperverletzung, strafbar.
Aus einer „einfachen“ Körperverletzung wird eine gefährliche, wenn diese durch im Gesetz (§
224 StGB) abschließend aufgezählte Fälle (Nr.1 – 5) eintritt.
Gem. Nr.1 muss die Körperverletzung durch Beibringen von Gift oder anderen
gesundheitsschädlichen Stoffen hervorgerufen worden sein. Gesundheitsschädliche Stoffe
sind solche, die thermisch oder mechanisch wirkend erhebliche Gesundheitsschäden
hervorrufen können, sowie alle Viren oder Bakterien. Beigebracht wird das Gift oder der Stoff,
wenn er mit dem Körper in Verbindung gebracht wird und mit diesem reagieren kann.
Nr.2 verlangt eine Körperverletzung, die durch eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug
verursacht wurde. Ein gefährliches Werkzeug ist eine bewegliche Sache, die nach objektiver
Beschaffenheit sowie konkreter Art und Weise der Verwendung dazu geeignet ist, erhebliche
Verletzungen hervorzurufen. Beispielhaft seien hier vor allem Werkzeuge im allgemeinen Sinne
genannt, wie Hammer, Säge und Schraubendreher. Allerdings kann so gut wie jeder
bewegliche Gegenstand durch seine Beschaffenheit und Verwendung ein gefährliches
Werkzeug darstellen, so etwa ein Stuhl, eine Bowlingkugel oder auch ein Schuh mit harter
Sohle oder einem hohem Absatz.
Der Begriff der Waffe ist in §1 WaffG definiert. In allgemeiner Weise handelt es sich bei einer
Waffe um einen beweglichen Gegenstand, der nach Art seiner Anfertigung dazu bestimmt ist,
einen Menschen zu verletzen. Pistolen, Gewehre, Knüppel, Messer und Macheten wären
Beispiele für eindeutige Waffen.
Wird die Körperverletzung durch einen hinterlistigen Überfall verursacht, ist Nr.3 des § 224
StGB erfüllt. Bei einem Überfall handelt es sich um einen plötzlichen, unerwarteten Angriff auf
einen Ahnungslosen. Hinterlistig handelt derjenige, der planmäßig-berechnend seine wahren
Absichten verdeckt, um gerade hierdurch die Gegenwehr des Opfers zu erschweren. Die
Hinterlist stellt somit eine verstärkte Art der Heimtücke dar, wodurch diese selten angenommen
wird.
Unterhält sich bspw. jemand mit einem anderen über eine sehr langen Zeit und täuscht damit
friedliche Absichten vor, nur um den Gesprächspartner, nachdem dieser sich abgewandt hat, zu
verprügeln, so ist in jedem Fall ein hinterlistiger Überfall anzunehmen.
Wirken zwei oder mehr Personen bei der Körperverletzung durch einverständliches, aktives
Handeln zusammen und stehen so dem Opfer gefahrerhöhend gegenüber, so spricht man von
einer gemeinschaftlichen Begehungsweise, wodurch Nr.4 des §224 StGB erfüllt wäre. Dabei
ist es sogar ausreichend, wenn nur eine Person die Körperverletzung aktiv herbeiführt und die
andere, beispielsweise durch Anfeuerungsrufe, Beihilfe leistet.
Als letzter Fall, der aus einer „einfachen“ Körperverletzung eine gefährliche macht, ist Nr.5,
„eine das Leben gefährdende Behandlung“ genannt. Eine solche ist gegeben, wenn nach den
konkreten Umständen die Körperverletzung dazu geeignet ist, das Leben des Opfers abstrakt
in Gefahr zu bringen. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn dem Opfer durch einen stumpfen
Gegenstand eine schwere Kopfverletzung zugefügt wurde. In den meisten Fällen ist dann
allerdings bereits Nr.1 oder Nr.2 des §224 erfüllt.
§226 StGB – schwere Körperverletzung
Die schwere Körperverletzung ist eine Erfolgsqualifikation der „einfachen“ Körperverletzung,
das heißt, eine vom Gesetz bestimmte Folge (Erfolg) muss eingetreten sein, um dieses Delikt
zu verwirklichen. Bestraft wird die schwere Körperverletzung mit Freiheitsstrafe zwischen
einem und zehn Jahren. Verursacht der Täter den Erfolg absichtlich oder wissentlich, so wird
er mit Freiheitsstrafe zwischen drei und fünfzehn Jahren bestraft. Alle normierten Folgen,
genannt in den Nrn.1 – 3 des §226 Abs.1 StGB zeichnen sich durch ihre Dauerhaftigkeit aus,
das heißt, sie sind schwerwiegend und für das Opfer nicht oder nur in unverhältnismäßiger
Weise zu beseitigen.
Verliert der Geschädigte durch die Körperverletzung das Seh- Hör-, oder Sprachvermögen
oder die Fortpflanzungsfähigkeit, so ist Nr.1 des §226 Abs.1 StGB erfüllt. Das Sehvermögen
ist verloren, wenn keine Gegenstände mehr als solche erkannt werden können. Dabei ist es
unerheblich, ob mit Brillen oder Kontaktlinsen die Sehfähigkeit teilweise wiederhergestellt
werden kann, da diese lediglich die Auswirkungen vermindern. Unter dem Hörvermögen wird die
Fähigkeit, artikulierte akustische Laute unterscheidbar zu vernehmen, verstanden. Allerdings gilt
das Hörvermögen erst als verloren, wenn der Geschädigte auf beiden Ohren dazu nicht mehr in
der Lage ist. Das Sprechvermögen bezeichnet allgemein die Fähigkeit zur artikulierten Rede.
Ein bloßes Stottern reicht dabei nicht aus. Verliert der Geschädigte die Fähigkeit, Nachkommen
zu zeugen oder zu gebären, so liegt ein Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit vor.
Nr.2 verlangt für eine schwere Körperverletzung den Verlust oder die Unbrauchbarkeit eines
wichtigen Gliedes. Unter Glied wird dabei jeder Körperteil mit wichtiger Funktion verstanden,
der mit dem Körper durch Gelenke verbunden ist. Organe fallen durch die Wortlautgrenze der
Norm nicht unter den Begriff des Gelenks. Die Wichtigkeit des Gliedes ergibt sich aus seiner
allgemeinen Bedeutung für den Gesamtorganismus unter Berücksichtigung der individuellen
Verhältnisse des Opfers. So kann selbst ein kleiner Finger für einen Konzertpianisten ein
wichtiges Glied darstellen. Das Glied ist verloren, wenn es vom Restkörper physisch
abgetrennt wurde und nicht ohne zumutbares Risiko wiederangefügt werden kann. Eine
Prothese gilt dabei nicht als Wiederherstellung des Ursprungskörpers. Eine Unbrauchbarkeit
liegt dagegen vor, wenn das Glied dauerhaft seine Funktion nicht erfüllen kann, wodurch die
Beeinträchtigung einem Verlust gleichkommt. Ist beispielsweise durch die Körperverletzung ein
Bein des Opfers dauerhaft gelähmt, so liegt eine Unbrauchbarkeit des Beines vor.
Letztlich wäre gem. §226 Abs.1 Nr.3 StGB eine schwere Körperverletzung anzunehmen, wenn
das Opfer durch die Körperverletzung dauerhaft erheblich entstellt wird, oder in Siechtum,
Lähmung, geistige Krankheit oder Behinderung verfällt. Eine dauerhafte Entstellung ist
gegeben, wenn die Gesamterscheinung des Opfers endgültig oder auf unbestimmte Zeit nicht
durch einen zumutbaren Eingriff ästhetisch korrigierbar ist. Beispielhaft ist dies bei einem Opfer,
das am ganzen Körper Narben, Brandflecken oder ähnliches davonträgt, vorliegend.
§227 StGB – Körperverletzung mit Todesfolge
Die Körperverletzung mit Todesfolge ist eine weitere Erfolgsqualifikation der
Körperverletzung und wird mit Freiheitsstrafe zwischen drei und fünfzehn Jahren bestraft. Als
Folge der vorsätzlichen Körperverletzung tritt – vom Täter fahrlässig verursacht – der Tod des
Opfers ein. Fahrlässig handelt der Täter, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer
Acht lässt. Wichtig ist dabei stets die Frage, wie sich ein besonnener Durchschnittsmensch in
der Lage des Täters verhalten hätte.
Ferner muss zwischen Körperverletzung und Tod ein sog. gefahrspezifischer Zusammenhang
bestehen, das heißt, der Tod muss sich durch die in der Körperverletzung inne-wohnenden
Gefahr verwirklicht haben.
Beispielhaft für eine Körperverletzung mit Todesfolge sei eine Prügelei an einem Bahngleis
anzunehmen, bei dem das Opfer durch die Wucht eines Schlages/ Trittes auf die Gleise fällt
und von einem einfahrenden Zug, den der Täter nicht gesehen hat, erfasst wird und daran
verstirbt. Eine Körperverletzung mit Todesfolge wäre allerdings nicht gegeben, wenn der Täter
den einfahrenden Zug gesehen hätte und das Opfer darauffolgend dennoch auf die Gleise
beförderte. Dann läge ein Fall von Totschlag/Mord vor.
§229 StGB – fahrlässige Körperverletzung
Die fahrlässige Körperverletzung wird mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren
bestraft. Am häufigsten tritt sie im Straßenverkehr auf. Der Täter beachtet nicht die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt und verursacht dadurch eine Gesundheitsschädigung oder körperliche
Misshandlung beim Opfer. Wichtig ist erneut die Frage, wie sich der besonnene
Durchschnittsmensch in der Lage des Täters verhalten hätte. Ferner ist wichtig, ob die
Schädigung durch den Täter selbst vorhersehbar oder vermeidbar war. Wird ein Fahranfänger
beispielsweise durch einen anderen Verkehrsteilnehmer bedrängt und verursacht dadurch die
Schädigung, ist eine fahrlässige Körperverletzung in der Regel nicht gegeben.
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